Erläuterungen zur Raumordnung

Fragen und Antworten

Das RROP ist eine wichtige Grundlage für die strukturelle Entwicklung der Gemeinden, Kreise und Städte. Die Vorgaben sind recht detailliert. Wie groß ist der Eingriff in die Souveränität der einzelnen Gebietskörperschaften?

Der gesetzliche Kernauftrag an die Raumordnung bedeutet, unterschiedliche Ansprüche an den Raum untereinander und gegeneinander abzustimmen. Das RROP greift alle verfügbaren und letztlich rechtlich begründeten Ansprüche an den Raum auf und stellt diese zunächst im RROP dar. Konfliktfälle werden so besser sichtbar und können gelöst werden. Ein Eingriff in die kommunale "Souveränität" ist damit nicht gegeben, da die Gebietskörperschaften ihre Planungshoheit im "Rahmen der Gesetze" ausüben. Allein auf solche gesetzlichen Regelungen sind die RROP-Festlegungen begründet.

Wozu brauchen wir Raumordnung und Regionalplanung? Schränkt sie nicht die kommunale Planungshoheit ein?

Die Raumordnung hat anerkanntermaßen in Deutschland zu einer weitgehend verträglichen Raumentwicklung beigetragen. Was passiert, wenn diese überörtliche Steuerung praktisch nicht existiert bzw. völlig versagt, kann an den aktuellen Entwicklungen in anderen Ländern wie Südspanien (ungesteuerter Bauboom und dramatische Wasserknappheit) und Norditalien (Zersiedlung mit exorbitanten Infrastrukturkosten) miterlebt werden.
Obwohl vielfach behauptet, führt die Vielzahl lokal getroffener Maßnahmen und Entscheidungen nicht zum Optimum in der Regionalentwicklung.
Das Optimum in der Regionalentwicklung ist nur durch ein aufeinander abgestimmtes und zielorientiertes lokales und regionales Handeln zu erreichen. Die Raumordnung tut nichts anderes, als die unterschiedlichen fachgesetzlich begründeten Ansprüche an den Raum untereinander und gegeneinander abzuwägen. Auch die kommunale Planungshoheit nach Art. 28.2 Grundgesetz kann nur unter Wahrung des geltenden Rechts ausgeübt werden, nichts anderes gilt für die Raumordnung.

Gibt es im RROP entscheidende Neuerungen, die den bestehenden Strukturen eine neue Richtung geben können?

Das RROP verfolgt eher einen konservativen Ansatz, vorhandene Strukturen wie das Zentrale-Orte-System zu bewahren oder den Erhalt landwirtschaftlicher Nutzflächen zu unterstützen. Gleiches gilt für den Naturhaushalt. Mit der Planung der RegioStadtBahn und der Autobahn A 39 wird die verkehrliche Erschließung des nördlichen Verbandsgebietes grundlegend verbessert.

Widerspricht das Zentrale-Orte-Konzept der bisherigen Praxis der Gemeinden bei der Ausweisung von Baugebieten?

Unter den Bedingungen des aktuellen demographischen Wandels gibt es keine Alternative zum Zentrale-Orte-Konzept. Mehr denn je gilt, Infrastruktur gut auszulasten oder deren Auslastung langfristig zu sichern. Eine Zersiedlung - wie in der Vergangenheit unter anderen Rahmenbedingungen betrieben - ist nicht mehr zukunftsweisend, weil sie die kommunalen Lasten sowie die privaten Lebenskosten erhöht (Unterauslastung teurer Infrastruktur!).

Das RROP räumt den Oberzentren wichtige Prioritäten ein. Werden die Landkreise dadurch in ihrer Position als Wirtschaftsstandorte geschwächt?

Der Wirtschaftsstandort ist nicht der Landkreis, sondern der Großraum Braunschweig, die Region in ihren vielfältigen wirtschaftlichen Verflechtungen. Das RROP sorgt im Rahmen seiner Infrastruktursicherungspolitik für einen funktionierenden Mobilitätsausgleich und im Rahmen der Flächensicherung, die mit den Kommunen abgestimmt ist, für eine mehr als ausreichende Flächenreserve für die gewerbliche Entwicklung. Mit Ausnahme des großflächigen Einzelhandels ist die Ausweisung umsetz- und vermarktbarer Gewerbeflächen Sache der Kommunen. Solche Flächen müssen immer ortsangemessen sein, ein Planungsprinzip, was jeder Flächennutzungsplanung zugrunde liegt.

Berücksichtigt das RROP aus Ihrer Sicht die Belange kleiner und mittelständischer Unternehmer?

Das RROP entfaltet nur gegenüber öffentlichen Planungsträgern eine unmittelbare Bindungswirkung. Insofern gibt es keine direkten Auswirkungen gegenüber Privaten, Ausnahme: Windenergienutzung, Bodenabbau und Hochwasserschutz. Dabei geht es um Naturschutz, Gefahrenabwehr oder Lärmschutz.

Die Entwicklungsaufgabe "Wohnen" ist den Mittel- und Oberzentren zugewiesen. Verfügen diese über genügend Flächenreserven zur Wohnbebauung?

Diese Entwicklungsaufgaben sind allen zentralen Orten zugeordnet (allgemeine LROP-Vorgabe), die Umsetzung erfolgt individuell auf der Ebene der gemeindlichen Flächennutzungsplanung im Zusammenwirken mit der Raumordnung und ist von der aktuellen Nachfrage sowie den Prognosen abhängig. Die Entwicklungsaufgabe "Wohnen" unterstreicht lediglich diesen Sachverhalt zur Verdeutlichung des Zentrale-Orte-Konzeptes.

Dürfen die Gebietskörperschaften auf positive Entwicklungen hoffen?

Wenn es der Region gut geht, geht es auch den Kommunen gut. An dieser Zielsetzung wird ständig gearbeitet. Man ist da nicht allein vom RROP abhängig, sondern von der Gesamtentwicklung in Deutschland und Europa. Die Möglichkeiten unterschiedlichster Kooperationen (Arbeitsmarkt, Verkehr, Wasserwirtschaft, Abfallbeseitigung, Kultur etc.) werden im Großraum Braunschweig im Vergleich zu vielen anderen Regionen Deutschlands sehr gut genutzt, so dass jeder der Teilräume davon profitiert. Ohne diese regionalen Aktivitäten gäbe es hier mehr Probleme.
Wir hätten z.B. eine schlechtere ÖPNV-Anbindung insbesondere in die Nachbarzentren, keinen Tarifverbund, teurere Entsorgungsgebühren, teilweise geringere Wasserqualitäten etc.

Das RROP kennt Vorrang- und Vorbehaltsgebiete. Worin besteht der Unterschied?

Vorranggebiete sind abschließend abgewogene Ziele der Raumordnung, sie sind von öffentlichen Stellen bei ihren raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten.
Vorbehaltsgebiete sind hingegen Grundsätze der Raumordnung, die wie die sonstigen Erfordernisse der Raumordnung von öffentlichen Stellen bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in der Abwägung oder bei der Ermessensausübung nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen, d.h. der Abwägung zugänglich sind. Der "Privatmann" wird von den Festlegungen der Raumordnung also nicht direkt betroffen. Vorbehaltsgebiete sind umgenannt worden und entsprechen den bisherigen Vorsorgegebieten.

In Bezug auf die A 39 äußert sich das Konzept zwar zustimmend, beschreibt andererseits die schützenswerten natürlichen Ressourcen. Gibt es da einen Interessenkonflikt? Wo liegt die Priorität?

Das RROP unterstützt eindeutig das A 39-Projekt. Punktuelle Konflikte mit Natur und Landschaft werden auf der Ebene der nachfolgenden Planfeststellung gelöst. Der Hinweis auf solche Konflikte ist der Raumordnung zueigen (siehe Ziffer 1).

Warum überlagert das RROP ein förmlich festgelegtes Überschwemmungsgebiet noch mit einem Vorranggebiet Hochwasserschutz?

Die Regionalplanung hat die Aufgabe, alle raumwirksamen Nutzungen gleichermaßen zu beachten. Anders als in einem reinen Fachplan werden im RROP alle raumwirksamen Nutzungen in einer eigenen vorgegebenen Symbolik aufgezeigt. Das RROP ist also kein Fachplan. Vielmehr trägt das RROP zur Abstimmung der unterschiedlichen Anforderungen an den Raum bei, auftretende Konflikte können frühzeitig erkannt und im Konsens ausgeglichen werden. Gleichzeitig werden Hinweise gegeben, um Vorsorge für einzelne Raumfunktionen und Raumnutzungen, wie z.B. für den vorbeugenden Hochwasserschutz, zu treffen. Das RROP trägt damit zu mehr Transparenz bei und sorgt durch seine Festlegungen für mehr Planungs- und Investitionssicherheit.

Obwohl kein Landschaftsschutzgebiet oder Naturschutzgebiet verordnet ist, wurde auf meinem Acker im RROP ein Vorrang- / Vorbehaltsgebiet Natur und Landschaft festgelegt. Darf ich die Flächen nun nicht mehr bewirtschaften?

Die ordnungsgemäße Landwirtschaft ist hiervon nicht betroffen, denn Vorranggebiete sind zwar Ziele der Raumordnung, die aber nur von öffentlichen Stellen zu beachten sind. Das gleiche gilt für Vorbehaltsgebiete. Diese sind Grundsätze der Raumordnung und ebenfalls von öffentlichen Stellen bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in der Abwägung oder bei der Ermessensausübung nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen.
Die Festlegungen geben vielmehr auf Grundlage von naturschutzfachlichen Aussagen einen Hinweis, wo in Abstimmung mit der Landwirtschaft sinnvolle Naturschutzmaßnahmen z. B. zur Biotopvernetzung oder zum Artenschutz verortet werden können oder wo eine besondere Beachtung von Naturschutzbelangen geboten ist. Konkrete Einschränkungen können sich nur aufgrund naturschutzrechtlich getroffener Ver- und Gebote sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen ergeben. Diese werden z. B. in NSG- oder LSG-Verordnungen oder vertraglichen Vereinbarungen getroffen.

Schränkt das neue Vorranggebiet Natura 2000 die land- und forstwirtschaftliche Nutzung ein?

Die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung wird durch das neue Vorranggebiet Natura 2000 nicht eingeschränkt. Einschränkungen können sich nur durch naturschutzrechtlich getroffene Ver- und Gebote sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen ergeben, die der Sicherung der Schutzzwecke und Erhaltungsziele dienen. Dies können z. B. in NSG- oder LSG-Verordnungen oder vertraglichen Vereinbarungen sein.

In der Zeichnerischen Darstellung des RROP gibt es weiße Flecken, wo das RROP 1995 noch Vorsorgegebiete für Landwirtschaft festgelegt hat. Sind diese Gebiete nicht mehr für die landwirtschaftliche Nutzung vorgesehen?

Fachliche Grundlage der Festlegungen "Vorbehaltsgebiet Landwirtschaft" ist der Landwirtschaftliche Fachbeitrag. Die dort vorgeschlagene differenzierte fachliche Auseinandersetzung mit den landwirtschaftlichen Belangen ist von der Regionalplanung aufgenommen worden. Anders als im RROP´95 geben im RROP-Entwurf 2007 die Vorbehaltsgebiete Landwirtschaft die anstehenden Bodenqualitäten und besondere Bedeutungen der Gebiete für die landwirtschaftliche Nutzung wieder. Weiße Bereiche stehen nach wie vor der Landwirtschaft zur Verfügung, sie besitzen aber i.d.R. keine hohe Bodenfruchtbarkeit und erfüllen keine besonderen Funktionen wie z. B. für Abwasserverregnung oder Sonderkulturen.

Darf ich meinen Wald forstwirtschaftlich nutzen, der als Vorranggebiet "Ruhige Erholung in Natur und Landschaft" festgelegt ist?

Ja! Die Wälder im Großraum Braunschweig übernehmen vielfältige Funktionen für die Erholung. Es ist daher von Bedeutung, dass die Wälder eine ordnungsgemäße Pflege und Nutzung durch die Forstwirtschaft erfahren und dadurch auch für die nachhaltige Erholungsnutzung bewahrt werden.

Wir sind eine Interessengemeinschaft und wollen einen neuen Windpark errichten. Können wir auch außerhalb der festgelegten Vorrang- und Eignungsgebiete Windenergienutzung eine Genehmigung beantragen?

Das RROP legt auf Grundlage eines regionalen Konzeptes und nach Durchführung eines formalrechtlichen Plan- und Genehmigungsverfahrens abschließend abgewogene Vorrang- und Eignungsgebiete Windenergienutzung fest. Diese Ziele der Raumordnung entfalten eine Ausschlusswirkung an anderer Stelle. Damit sind neue Standorte außerhalb dieser Vorrang- und Eignungsgebiete nicht zulässig.

Im RROP-Entwurf 2007 werden "Vorranggebiete Freiraumfunktionen" festgelegt. Wodurch begründen sie sich und warum sind sie gebietsscharf abgegrenzt?

Die Regionalplanung hat durch das Raumordnungsgesetz den Auftrag, großräumige und übergreifende Freiräume zu erhalten und zu entwickeln. Dies gilt insbesondere in den Bereichen, in denen zahlreiche Nutzungen um wenig Raum "kämpfen". Hierunter fallen Verdichtungsräume und bevorzugte Wohngebiete im Umland der großen Städte, wo z. B. Siedlungsentwicklung und Verkehr mit den öffentlichen Belangen Klimaschutz, Landwirtschaft oder Naturschutz konkurrieren. Vielfach übernimmt ein einzelner Freiraumbereich Funktionen für mehrere Nutzungen, so z. B. für Landwirtschaft, Erholung, Siedlungsgliederung oder als Klimaschneise. Hierfür sind "Vorranggebiete Freiraumfunktionen" festgelegt, die den Schutz der regionalen Freiräume gegen eine unverträgliche Inanspruchnahme sicherstellen und gleichzeitig als Zielraum für notwendige Kompensationen gelten. Um als Ziel der Raumordnung zu wirken, müssen sie sauber abgegrenzt sein. Da die Regionalplanung nur rahmengebenden Charakter hat, ist die Festlegung trotz scheinbarer Genauigkeit nicht als parzellenscharf zu verstehen.

Bürger oder Unternehmer sind in der Position, eine Stellungnahme beim Beteiligungsverfahren abgeben zu können. Was für Statements sind angemessen?

Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist Folge der EU-Gesetzgebung. Bereits bei der vorlaufenden 4. Änderung des Programms gab es eine Öffentlichkeitsbeteiligung. Die politische Akzeptanz des Programm-Entwurfs steigt mit der Berücksichtigung auch bürgerschaftlicher Interessen. Diese werden aber dem Gemeinwohlinteresse dann unterworfen, wenn es diametral entgegenstehende Interessenlagen gibt (vergl. A 39, Ortsumgehung Meine, Ortsumgehung Brome, Hochwasserschutz etc.).